Januar 2012
Eigentlich hat sich formal nichts verändert: Wegen fehlenden Geldes wird bei der Zentralregierung um den "national status" des Projektes nachgefragt; es laufen diverse Prozesse gegen das Projekt; die Telangana-Diskussionen gehen weiter und Ergebnisse werden immer wieder verschoben; die Leute in den Dörfern sehen so gut wie keine Veränderungen - dennoch ändert sich manches: Im Kanal wird wieder gebaut (siehe Foto). Viele Maschinen und viele Menschen sind im Einsatz. Der neue Bauunternehmer nimmt seinen Auftrag offenbar ernst. Außerdem wurde ein neues Wasser-Rückhaltebecken im System der Pipeline nach Satupalli errichtet. Vieles also spricht dafür, dass die Regierung bei ihrem Kurs bleibt.
Gleichzeitig gibt es gegenläufige "Botschaften": Es werden Straßen neu gemacht und verbreitert. Ob diese nur dem Abtransport bei der Evakuierung dienen sollen? In manchen Dörfern wird mit Argument "Polavaram kommt und überschwemmt doch alles!" jede Verbesserung der Infrastruktur verhindert - in anderen Dörfern gehen sowohl Straßenbau als auch das Indira Housing- Programm weiter. Eine Hand weiß offenbar nicht, was die andere tut.
14.11.2011
Auf der Studienreise im Oktober entstand ein ambivalenter Eindruck: Die meisten Menschen in der Region halten es nicht mehr für wahrscheinlich, dass der Großstaudamm kommt. Sie richten sich vielmehr auf eine lange Zeit der Stagnation ein. Dafür sprechen für sie folgende Gründe. 1. Der Streit um einen neuen Bundesstaat geht weiter und es gibt durchaus Hinweise, dass "Telangana" kommt - und dann soll der Damm so nicht gebaut werden. Vielmehr priorizieren die Telangana-Vertreter ein Projekt mit ca. 6 kleineren Dämmen und wenig Umsiedlungen. 2. Die Kongresspartei ist sich nicht einig und droht zu zersplittern. 3. Es ist schlicht kaum Geld da. 4. Die Bauunternehmer sind korrupt und zuviel Geld verschwindet. Und 5. viele der Arbeiten stagnieren seit dem Tod des für dieses Projekt maßgeblichen Ministerpräsidenten oder laufen nur mit geringer Kraft.
Wenn man die offiziellen Verlautbarungen liest und die Statements der Politiker, bekommt man einen anderen Eindruck: 1. Es wurde ein Vertrag mit einem neuen Bauunternehmen, der SEW Infrastrukture abgeschlossen. Das Volumen beträgt 4.717 crore (= ca. 670 Mill. Euro). 2. Am Kanal wird weitergebaut. 3. Die Proteste gehen weiter. So haben 1.000 Anwälte gegen das projekt protestiert, die Parteien profilieren sich in ihrer Haltung zum Projekt und viele von ihnen wollen es modifizieren. Folglich: NGOs und indische Einrichtungen gehen durchaus davon aus, dass der Damm weiterhin auf der Prioritätenliste steht.
Meine Einschätzung: Es wird sich noch hinziehen und sich wahrscheinlich an der Telangana-Frage entscheiden.
30.4.2011 "Polavaram-Betrug" Immer mehr Gegenwehr
Regelmäßig werden wir über die Entwicklung in Indien informiert, vor allem über Pressemeldungen in Indien selbst. Hier finden Sie einen sehr interessanten Aufsatz über die Entwicklung und die gegenwärtige Lage. 52 Dörfer haben erneut Protest eingelegt wegen Verletzung ihrer Waldrechte. Die Zahl der Klagen steigt ins unermessliche. Geldgeber fehlen offenbar - und dennoch versuch der Bundesstaat weiterhin, das projekt durchzudrücken. "Polavaram-Betrug" nennt der Artikel die Vorgänge. Hier können Sie ihn im Internet lesen - wirklich sehr empfehlenswert!
30.10.2010 Alles beim Alten: Das Gerangel geht weiter
Auch während oder nach der Indienreise im Oktober gibt es keine neuen Erkenntnisse über den Fortgang des Polavaram-Projektes. Nu soviel: Das Gerangel um den Status als Nationalprojekt geht weiter. Die Zentralregierung bekommt nach wie vor enormen Widerstand aus Orissa und Chattisghat, da auch dort Stammesdörfer betroffen sind. Die Gerichte sind mit all dem beschäftigt. Die Telangana-Diskussion geht weiter. Und Letztere könnte den Ausschlag geben: Wenn eine von der Regierung eingesetzte Kommission Ende diesen Jahres wie angekündigt ihr Gutachten zu der Gründung eines neuen Staates vorlegt, werden die Weichen gestellt. Wenn der neue Bundesstaat "Telangana" darin befürwortet wird, kommt es wahrscheinlich nicht mehr zum Polavaram-Projekt. Die Telangana-Politiker sind dagegen. Wird die Staatsgründung abgelehnt, wird sich die Regierung von A.P. durchsetzen.
Im Moment gehen die Leute weitgehend davon aus, dass der Staudamm kommt - gleichzeitig aber auch davon, dass Telangana kommt. Man lebt im Hier und Jetzt. Die Mustersiedlung in Gullavai für die Umsiedlung zerfällt und wird von der Natur zurückerobert, bzw. man baut zwischen den Häusern Reis an (siehe Foto). Man muss halt das Beste draus machen.
29.07.2010 Grünes Licht vom Umweltministerium New Delhi
Indische Zeitungen und Online-Dienste melden, dass das Umweltministerium der Zentralregierung nun grünes Licht für die Abholzung von 3.473 ha Wald gegeben hat. Damit wurde ein Antrag der Regierung von Andhra Pradesh aus 2008 bewilligt, nachdem diese im September 2009 weitere Auflagen erfüllt habe und im Juni 2010 auch den Finanzierungsplan vorgelegt hatte.
Allerdings enthält die Genehmigung zwei wesentliche Bedingungen: Sofern es um für die Stammesleute geschütztes Land geht, müssen diese innerhalb einer festgelegten Frist gemäß dem vorgegebenen Zeitplan umgesiedelt werden und dies muss für alle transparent geschehen. Und: Wald auf dem Gebiet der Nachbarstaaten Orissa und Chattisgath darf nicht betroffen sein. Gerade letztere Bedingung werden die Gegner des Staudamms als indirekte Absage an das Damm-Konzept werten. Dieser kann nur in der geplanten Höhe gebaut werden, wenn der Stausee auch die Nachbarstaaten einbezieht. Diese wehren sich jedoch vehement dagegen. Folglich müsste der Damm niedriger gebaut werden - was jedoch nicht das benötigte Wasser aufstaut. Es bleibt offen, wie A.P. reagiert. Wahrscheinlich wird diese neue Genehmigung zunächst einmal benutzt, um den National-Status des Projektes voranzubringen. So käme man dann auch an neues Geld.
In der Zwischenzeit bleibt das Projekt weiter umstritten, auch in der eigenen Partei der Initiatoren. Vor allem geht der Streit um einen unabhängigen Staat Telangana weiter. Falls es dazu kommt, wird der Staudamm wahrscheinlich nicht gebaut. Nun aber sind zunächst die Befürworter einen (kleinen) Schritt weiter gekommen.
10.05.2010 Alles beim "Alten"
Es gibt keine neuen Nachrichten vom Projekt. Nach wie vor versucht Andhra Pradesh, den Nationalstatus für das Projekt zu bekommen. Die Zentralregierung scheint das Problem auszusitzen. Die Sache ist brisant: Die politischen Telangana-Streiter lehnen das Projekt ab, da es nur für Andhra-Gebiete wirklich etwas bringt.
Zur Zeit läuft eine Werbekampagne für das Projekt, angeführt von einem indischen Megastar, dem Filmschauspieler Chiranjeevi. Der tritt für den schnellen Bau des Staudamms ein und unternimmt eine Werbetour durch die betroffenen Gebiete. Der Medienrummel scheint groß zu sein, denn der Star bereist das Gebiet reitend auf dem Rücken von Pferden ... Allerdings mobilisiert das auch die Gegner. Die haben ihm angedroht, wenn er in das vom Stausee betroffene Gebiet käme, würden sie aus dem Pferd einen Esel machen. Und tatsächlich, von den im Internet angegebenen Orten kenne ich keinen einzigen. Ich glaube nicht, dass der Star es wagen wird, ins betroffene Stammesgebiet zu reisen. Er macht dort (für sich selbst) Reklame, wo die Nutznießer des Projektes sitzen. Der Congress-Partei wirft er Untätigkeit vor.
25.01.2010 Trotz vieler Fragen wird weitergebaut
Auf meiner Reise im Januar 2010 habe ich mich vor Ort über den Stand der Entwicklung zum Staudamm informiert. Hier die Meinung von Herrn Fayaz, der die Nicht-Regierungsorganisation SNEHA in der betroffnenen Region leitet (Auszug aus meinem Sachbericht):
Mr. Fayaz (SNEHA) geht davon aus, dass das Projekt nicht mehr weitergeführt werden kann, obwohl sich die Landesregierung auch unter dem neuen Ministerpräsidenten sehr bemüht. 1. Es laufen diverse Prozesse, deren Abschluss für eine Weiterführung notwendig ist. So hat das Land Orissa geklagt. Der Vorschlag, einen Deich an der Sabari zu bauen, damit keine Orissa-Dörfer betroffen sind, ist nicht umsetzbar. Dann müssten alle Genehmigungsverfahren für das gesamte Projekt wiederholt werden. Dies erscheint heute unmöglich. 2. Das Projekt hat heute zu viele Gegner, vor allem auch in der Centralregierung. Das bedeutet, das Geld würde nicht freigegeben werden und der von A.P. angestrebte Nationalstatus wird nicht durchkommen. 3. Die Finanzkrise hat auch A.P. voll erwischt. Es ist schlicht kein Geld mehr da, alles zu bezahlen. Dazu kommt, dass es Probleme mit den Bauunternehmern und Kurruption gibt. 4. Und hier sieht Mr. Fayaz das größte Hindernis zur Fortführung des Projektes: In den letzten Monaten sind die seit 1969 schwelenden Forderungen nach der Teilung von A.P. mit einem seperaten Bundesstaat Telangana wieder aufgeflammt. Auch die Zentralregierung soll sich das inzwischen vorstellen können. Die als A.P. verbleibende Südhälfte plus Ostküste (Rajamundhri, Vizag) allerdings nicht – zumal die Boom-Stadt Hyderabad dann zu Telangana gezählt würde. Tatsache: Wenn Telangana käme, wäre das Polavaram-Projekt geplatzt. Schon jetzt könnte alles daran scheitern, denn die Regierung nach dem verstorbenen CM ist seit ihrer Amtsübernahme mit allem anderen befasst, nur nicht mit dem River-Linking-Programm. So ging es um die Überschwemmung des Krishna, die Wahlen und nun um die Telangana-Diskussion.
Mr. Fayaz bestätigt meine Beobachtung, dass sich seit zwei Jahren im bedrohten Gebiet kaum etwas bewegt hat. Die Regierung hat keine neuen Musterdörfer gebaut und die alten zerfallen lassen, es wurden im betroffenen Gebiet keinerlei Maßnahmen zur Infrastruktur gemacht und selbst die Hilfsprogramme für Tribals wurden dort nicht durchgezogen. Man versucht, die Gegend auszutrocknen – bevor sie dann überschwemmt werden soll...
Allerdings sehe ich, dass an der Pipeline weitergebaut wird. Auch die Kanalbauten gehen weiter. Mein Flug von Rajahmundri nach Hyderabad führt mich entlang des südwestlichen Kanals bis zur Krishna, in die der Kanal mündet. Es gibt diverse Unterbrechungen des Kanals, man sieht jedoch, dass er zu ca. 3/4 schon nahezu fertig ist. Ein riesiges weißgraues Band zerschneidet die Landschaft, ein 140 m breiter Kanal, auf dem sogar Schiffe fahren sollen (siehe rechtes Foto). Ob er allerdings jemals durchgehend Wasser führt, bleibt fraglich. Mit dem Bau des Staudammes selbst wurde nach meiner Kenntnis noch nicht begonnen.
Die politische Auseinandersetzung um einen unabhängigen Telangana-Staat verläuft teilweise heftig. Die Fotos zeigen eine Demo von Adivasigruppen für Telangana in Bhadrachalam. Sollte der Staat kommen, wäre das Polavaram-Projekt wohl vom Tisch. Bleibt zu hoffen, dass sich, egal wie es ausgeht, jene Politiker durchsetzen, die jene Kompromißprogramme (siehe unten) durchsetzen möchten. Dann wäre der Bevölkerung mit Wasser gedient und gleichzeitig den Adivasis ihr Lebensraum gelassen.
24.10.2009 Großprojekt wird hinterfragt
Mehrere Zeitungen melden, dass eine Gruppe um den früheren Innenminister von A.P., alles Mitglieder der regierenden Congress-Partei, das Polavaram-Großstaudammprojekt jetzt hinterfragen. Die Politiker beziehen sich auf seit langem vorliegende Studien und befürworten ein Projekt, das nicht den Großstaudamm sondern 2 kleinere Staudämme und 7 Rückhaltemauern zur Wassergewinnung enthält. So könne man statt nur 75 insgesamt 350 TMC Wasser speichern und statt 350 MW nun 750 MW Strom erzeugen. Dörfer müssten keine evakuiert werden!!!
Es bleibt abzuwarten, ob der für Anfang November vorgesehene Vorstoß der zumeist pensionierten Politiker Erfolg hat. Zumindest könnte die Zentralregierung den Antrag auf einen Nationalstatus des Projektes entsprechend beantworten und so Einfluss auf das Projekt gewinnen. Es bleibt zu hoffen, dass der Druck aus den eigenen Reihen der Congress-Partei nun zunimmt und das Prestigeprojekt zu Gunsten eines vernüftigeren und menschenfreundlicheren Projektes aufgegeben wird.
Im Oktober hat Hermann Brünjes zusammen mit einer Gruppe das Gebiet bereist. Die Kanäle sind weiter im Bau, ebenso die Pipeline nach Satupally. Allerdings gibt es keine weiteren sichtbaren Aktivitäten bezüglich einer Umsiedlung. Die Siedlung bei Gullavai liegt seit 2 Jahren ungenutzt da und verfällt. Viele der Dorfbewohner haben das Projekt ausgeblendet und warten einfach ab.
Derweil regt sich weiter Widerstand politischer Opposition. So haben wir am 10.10. in Bhadrachalam eine als Kulturveranstaltung gestaltete Demonstration gegen den Damm erlebt. Etwa tausend Menschen nahmen daran Teil und viele Tribal-Gruppen führten ihre traditionellen Tänze und Kostüme vor (siehe Fotos).
09.09.2009 Chiefminister A.P. bei Hubschrauberabsturz getötet
Am Donnerstag, 3.9. ist der Ministerpräsident von Andhra Pradesh Mr. Y.S. Rajasekhara Reddy durch einen Absturz seines Hubschraubers über unwegsamem Gebiet zusammen mit vier anderen Insassen ums Leben gekommen. Infos hier. Der Staatschef, ein bekennender Christ, hat viel für die Entwicklung seines Landes getan - er war allerdings auch Motor für das Polavaram-Projekt. Wie dieses jetzt weitergeführt werden wird, bleibt abzuwarten. Zunächst werden alle Vorhaben weiter verfolgt. Nachfolger aus der Congress Partei ist zunächst Mr. Jannath Hussain.
Inzwischen versucht die Landesregierung A.P. nach wie vor, das Polavaramprojekt bei der Zentralregierung anzubinden. Opposition gibt es vor allem von Orissa, da dort ebenfalls Dörfer betroffen sind und dieser Staat gegen die Congress Partei opponiert.
In der letzten Woche wurden neue Bauunternehmen für den Weiterbau der Kanäle und den Baubeginn der Staumauer verpflichtet. Die bisherigen Unternehmen haben offenbar Fristen nicht eingehalten. Es wird außerdem vermeldet, dass die Kosten explodiert sind und die Finanzierung wackelt. All dies lässt beweifeln, dass die inzwischen auf 2014 angesetzte Fertigstellung des Projektes überhaupt je Realität wird.
20.07.2009 Widerstand gegen Vorhaben eines Nationalen Projektes
Ministerpräsident Y.S. Rajasekhara Reddy und die Polavaram-Betreiber, versuchen mit Macht, aus dem Staudammprojekt mit Verlinkung diverser Flüsse, ein gesamt-indisches Projekt zu machen. Sie haben dafür Anträge in Delhi gestellt, die durch die hervorragenden Wahlergebnisse der Congresspartei auch Aussicht auf Erfolg haben könnten. Gleichzeitig geht vor allem der Nachbarstaat Orissa gegen dieses Vorhaben vor. Der Chiefminister Naveen Patnaik hat einen Brief an den Primierminister geschrieben, in dem er sich gegen das Vorhaben stellt. Er fordert öffentliche Anhörungen, Abwarten über den Ausgang der diversen Gerichtsverhandlungen und Berücksichtigung der Interessen Orissas. In Orissa werden mindestens 11 Dörfer vernichtet und Tausende Stammesleute sind betroffen. Seit drei Monaten kündigt der Ministerpräsident von A.P. nun an, dass "in Kürze" ein nationales Projekt daraus wird. Bisher sind all seine Zeitangaben fehlgeschlagen - dennoch verfolgt er stringent sein Prestigeprojekt und hat kontinuierlich eine starke Präsenz in den Medien.
29.5.2009 Polavaram nach den Wahlen
Die Wahlen in Indien, auch im Bundesstaat Andhra Pradesh, sind mit deutlicher Mehrheit von der auch jetzt regierenden Congress-Partei gewonnen worden. Sofort hat der Ministerpräsident Satyanarayana Reddy und seine Partei mit Hauptsitz in Hyderabad ihre Interessen bei der Zentralregierung angemeldet. Einige Projekte, darunter auch das Polavaram-Projekt, sollen auf Wunsch von Ministerpräsident Satyanarayana Reddy von der Zentralregierung übernommen und mitgetragen werden. Sollte diese dem zustimmen, kommt zum Einen viel Geld nach Andhra Pradesh (was man zur Finanzierung des Dammprojektes unbedingt braucht!) und zum anderen werden alle noch fehlenden Genehmigungen leichter zu bekommen sein. Also eine schlechte Nachricht für Staudammgegner! Die Congress Partei von A.P. hat viel Einfluss in Delhi - es steht also durchaus zu befürchten, dass sie ihr Anliegen durch bekommt. Im Moment allerdings gibt es noch keine Beschlüsse der Zentralregierung.
25.1.2009 Stand bei Indienreise Brünjes Januar
Nachdem das Forest Dep. Auflagen an das Projekt gestellt hat, die kaum erfüllbar sind, flammt weiterer Protest auf. Vor allem die Nachbarstaaten Orissa und Chattisgath gehen gegen die A.P. Regierung an. Sie führen Prozesse im High Court und sind angeblich bereit, bis vor das Verfassungsgericht zu gehen. Allerdings muss man sehen, dass im April Wahlen sind - und in diesen beiden Bundesstaaten regiert nicht die Congress-Partei, sondern deren Opposition. Es geht also nicht nur um die Adivasis, sondern um knallharte Politik und das Ringen um Einfluss auf die Staatspolitik in Dehli.
Derweil wird an den Kanälen weitergebaut (siehe Fotos). Vor allem der beschiffbare Kanal mit einer Breite von bis zu 150 Metern ist ein Gigantisches Bauwerk mit Erdbewegungen unglaublichen Umfangs. Kleinere Kanäle führen zum Teil bereits Wasser aus anderen Quellen. Auch die Pipeline nach Satupalli wird weiter gebaut. Bei Kothuru entsteht ein Zwischenbassin. Dieses Projekt gehört zwar nicht unmittelbar zum Polavaram-Staudammprojekt, ist als Indira Sagar Lifting-Programm jedoch eng damit verbunden, da Wasser aus dem Fluss in ferne Gebiete gepumpt werden soll. Dies wird nur gehen, wenn genug Wasser da ist - eben durch den Stausee.
Weite Teile der Bevölkerung wissen nicht, was vorgeht. Für sie steht die Umsiedlung bereits fest, sie können sich jedoch nicht vorstellen, was das letztlich für sie und ihre Lebensgrundlagen bedeutet. Die Regierung hat jetzt Entschädigungen und die Aufnahme der Ansprüche dazu eingestellt. Eine Mustersiedlung liegt da, wie schon vor zwei Jahren. Nichts geschieht. In Zeitungen wird gar von einem "Drei-Dekaden-Projekt" gesprochen. Die NGOs, z.B. SNEHA (ARS), bemühen sich um Aufklärung. Es ist ihnen gelungen, viele Dokumente zur Sicherung von Grundstücken zu bekommen. Diese werden jetzt jedoch nicht mehr ausgestellt, da die Regierung dann zu entsprechenden Entschädigungen gezwungen wäre.
3.1.2009 Hoffnung der Gegner flammt auf...
Nachdem es über Monate kaum Neues gab, kommen jetzt aus unserer Sicht positive Informationen aus Indien. Die SNEHA, eine Organisation, die im Gebiet unserer Partnerkirche arbeitet, informiert ihre deutschen Partner über die neue Entwicklung. Hatte die Regierung von Andhra Pradesh zwischenzeitlich Erfolge zu verbuchen - es ging schon das Gerücht, dass entscheidende Gerichtsverfahren gewonnen seinen - so hat sie jetzt einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Das von den Gerichten zur Auflage gemachte Gutachten der Naturschutzbehörde (Forest Department) liegt nun vor. Das Gutachten fordert vor Baubeginn des Dammes die Erfüllung von 29 Bedingungen. Vor allem die Bedingung Nr. 26 und 29 führen dazu, dass führende Politiker in Indien und Sachverständige von einer "indirekten Ablehnung" sprechen.
Das Gutachten fordert, dass in den Staaten Chattisgath und Orissa weder Wald noch Stammesdörfer vom Stausee betroffen sein dürfen. Obwohl die Landesregierungen bereits im Gespräch über Entschädigungen usw. waren, verbietet jetzt das Gutachten die Vernichtung der Reccourcen und Adivasi-Siedlungen in den Nachbarstaaten. Diese Einschränkung bedeutet, dass der Damm nicht mehr in seiner geplanten Höhe von 150 Metern gebaut werden kann, sondern maximal nur 135 Meter hoch werden darf. Mit dieser Reduktion kann das Ziel der Bewässerung nicht erreicht werden, da die teilweise bereits gebauten Kanäle inclusive der Pipeline nicht genug Wasser bekommen. Experten lassen sich im Moment darüber aus, ob man die Nachbarstaaten durch Dämme und Wälle schützen kann. Dies wird jedoch sowohl technisch als auch finanziell als sehr fragwürdig angesehen.
Einen englischen Text über die neue Entwicklung können Sie hier finden. Es stehen noch zwei andere von den Gerichten geforderte Gutachten aus: Eines zur Finanzierung und eines über die technischen Details des Dammes. Beide Gutachten könnten ebenfalls das Projekt in dieser Größe gefährden - was wiederum nicht nur bedeutet, dass der Lebensraum der Adivasis besser geschützt wird, sondern auch, dass Milliarden an öffentlichen Geldern bereits verschwendet wurden.
Ende Januar kann ich von weiteren Recherchen vor Ort berichten und schildern, wie die Bevölkerung zur Zeit mit bzw. gegen das Projekt lebt.
29.09.2008 nichts wirklich Neues!
Seit Monaten gibt es kaum neue Entwicklungen. Heute berichtet B Satyanarayana Reddy im Internet, dass im Khammam Distrikt 205 Dörfer umgesiedelt werden sollen, das sind 25.516 Familien. Damit ist die Region in der die GSELC arbeitet, am stärksten betroffen. Moniert wird, dass die Regierung statt der versprochenen 32.000 acres erst 5.000 acres Land für die Umsiedlung vorhält und von den benötigten 18.000 Häusern nur 1.000 errichtet hat. Nach 2005 ist nichts weiter für die Umsiedlung geschehen.
Der Staudamm ist weiterhin nicht im Bau. Allerdings werden die Kanäle weiter voran getrieben. Außerdem wird weiterhin eine fast 100 km lange riesige Wasserleitung verlegt.
Parallel geht der Protest der Betroffenen weiter, wenn auch nicht mehr so engagiert wie zu Beginn. Vor allem die Maoistischen Gruppen werden immer militanter.
02.02.2008 grundsätzliche Anfragen contra politische Statements
Bei seinem Besuch im Khammam Dt. und Veranstaltungen am 28.1. in Shattupalli, beschwört der Chief Minister Y S Rajasekhara Reddi erneut, dass das Projekt fertig gestellt wird. Er gesteht eine Verzögerung von einem Jahr durch heftigen Widerstand zu und führt dies auf das demokratische System Indiens zurück. Indien sei eben nicht China, sondern ein demokratischer Rechtsstaat mit freien Medien. 95% der Arbeit sei bereits aufgenommen worden, so dass mit einer Fertigstellung um 2011 zu rechnen sei, sagte er.
Kurz vorher, am 22.1. wird publik, dass das Projekt jetzt auch aus technischen Gründen sehr fragwürdig ist. Beiliegender Artikel enthält außerdem eine ganze Reihe interessanter Infos zum Gesamtvorhaben. Siehe Artikel.
31.01.2008 Recherche vor Ort
Von meinem Besuch im Januar habe ich nur wenige neue Infos mitgebracht, die ich hier in Kürze nenne:
1. Die Regierung hat vor Gericht erreicht, dass die Umweltbehörde, National Environmental Appellate Authority (NEAA) als nicht zuständig für den Stopp des Projektes erklärt wurde. So bleibt alles beim Alten: Der Damm selbst darf noch nicht gebaut weerden, die Kanäle usw. werden jedoch mit aller Kraft gebaut. (siehe Foto)
2. Es wird auch eine 90 km lange Pipeline von der Godavari nach Sathupally gebaut. Die riesigen, ca.3 m dicken Rohre sollen ein großes Gebiet mit Wasser versorgen. Der Pipeline fallen auch viele z.T. alte Bäume zum Opfer, da sie auch durch Dschungel führt. (siehe Fotos)
3. Die SNEHA hat den Tribals geholfen, für über 300 ha Land nachträglich Besitzurkunden zu bekommen.
4. Der Widerstand verebbt immer mehr. Zuerst war er groß, dann floss Geld der Regierung an Nicht-Tribals und nun wollen alle mehr Geld. Selbst viele Tribals wollen statt des "Land für Land" Programmes lieber Geld nehmen. Die Kommitees der ARS arbeiten kaum noch, vonaktiven NGOs können die Dorfbewohner kaum berichten.
5. Weiterhin verstreut die Regierung verschiedene Infos. Eigentlich war z.B. "Land für Land" für Tribal Bauern zugesagt. Nun schränkt man dies auf 5,6 oder 10 acre Fläche ein. Was darüber liegt, soll ausgezahlt werden. Die Infos an die Bevölkerung sind ob bewußt oder unbewusst widersprüchlich und knapp. Verunsicherung und Angst vor der Zukunft sind sehr groß.
02.01.2008 Grundsätzliche Anfragen werden lauter
Täglich gibt es neue, zumeist kritische Meldungen zum Projekt in indischen Pressemitteilungen. Die Regierung von A.P. hat neue, erweiterte Pläne für das Kanalsystem und die Überläufe vorgelegt. Nun werden von diversen Seiten auch neue Gutachten eingefordert, da die Grundlagen für die Berechnungen befragt werden (z.B. durch Prof. Shivaji Rao vom Umweltzentrum der Uni Gitam). So wird jetzt bezweifelt, dass der Damm wirklich sicher ist. Bei einem Dammbruch könnten 46 Mill. Menschen in Gefahr kommen. Wenn man die Klimaerwärmung berücksichtigt, was bisher offenbar nirgendwo geschehen ist, wird andererseits viel weniger Wasser anfallen und nur sehr wenige Monate kann ausreichend Strom produziert werden. Die erwarteten 960 Megawatt würden mit ziemlicher Sicherheit nicht erreicht. Auch die von der Regierung angegebene Zahl von 276 Dörfern, die dem Stausee weichen müssen, wird als "untertrieben" bezeichnet.
Die in Deutschland über die Adivasi-Kommission mit den in Indien arbeitenden Organisationen (NGOs) bekommen aus Indien hoffnungsvolle Nachricht ihrer Partnerorganisationen. M.E. ist schon die erneute Hoffnung, dass das Projekt doch scheitern könnte, ein großer Gewinn für den realen Widerstand und den Kampf um faire Entschädigungen der Betroffenen in der Region.
30.12.2007 Stopp aller Maßnahmen zur Landnahme
Newindpress berichtet, dass die Regierung alle Maßnahmen zur Landnahme im Khammam Dt. eingestellt hat. Es wurden inzwischen Rs 50-crore (9 Mill. €) an Farmer ausgezahlt und entsprechend Land für das Projekt gesichert. Diese Entschädigungen haben vor allem Nontribals bekommen, während die Tribalführer (Stammeleute/Garijans) zunächst harten Widerstand geleistet haben. Letzterer war zuletzt durch die Verlockungen des ausgezahlten Geldes allerdings auch bei den Tribals etwas zurückgegangen. 12 Dörfer wurden bisher mit solchen Entschädigungen bedacht und viele weitere, wo die Zählungen abgeschlossen sind, sollten nun folgen. Nun allerdings ist der Widerstand erneut aufgeflammt, da es wieder Hoffnung gibt, dass das Projekt zumindest in den Ausmaßen verhindert werden kann.
28.12.2007 Widerstand Thema der Medien
In den Tagen nach Weihnachten sind die Zeitungen in Indien voll von Meldungen zum Polavaram-Projekt. Der Widerstand von Samata und die Beschlüsse der NEAA machen viel Wirbel. Die Opposition wirft der Regierung vor, die Menschen bewusst getäuscht zu haben. Selbst aus den Reihen der Befürworter gibt es kritische Stimmen. Der Verdacht, dass die Regierung das Projekt garnicht durchführen will, sondern nur aus Imagegründen aufgebauscht hat, wird geäußert. Es sei Korruption im Spiel: Erst 10% des Projektes sind getan (vor allem einige Kanäle), jedoch schon 1.100 crore INR ( 200 Mill.€) ausgegeben. Das Meiste sei als Bestechungsgeld investiert worden, sagt die Opposition. Die Regierung hält dagegen und verspricht Nachbesserungen, will das Projekt noch während dieser Wahlperiode (bis 2009) beginnen und dann schnell beenden.
Fazit: Die Regierung gerät mehr und mehr unter Druck, nun auch durch die Medien bis hin zu den großen Zeitungen.
25.12.2007 erneut Widersstand vor Gericht
Diverse indische Zeitungen und Internetportals berichten, dass es erneut Widersprüche und gerichtliche Eingaben gegen das Projekt gibt. Die NGO Samata hat wissenschaftliche Gutachten eingereicht, wonach das Projekt die Umweltfolgen nicht ausreichend berücksichtigt und recherchiert hat, wie es das Umweltschutzgesetzt von 1986 vorschreibt. Die Umweltbehörde, National Environmental Appellate Authority (NEAA) ist dem gefolgt und hat detaillierte Reports gefordert und ihre alten Gutachten zurückgezogen.
Außerdem wird massiv moniert, dass die Bevölkerung nicht angehört wurde, wie es ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist wohl in Bhadrachalam geschehen, allerdings nur vor einem kleinen, ausgewählten Forum, jedoch nicht in den auch betroffenen Nachbarstaaten Orissa und Chhattisgarh. Somit ist die Regierung von A.P. erneut aufgefordert, die Unterlagen beizubringen. Der Widerstand vor allem in Orissa besteht nach wie vor, ebenso der offizielle Baustop am Damm.
So ganz nebenbei wird erwähnt, dass das Projekt nach Planung bereits um 30% verteuert ist.
20.07.2007 aktuelle Recherchen und Fotos
„the gap“
Der englische Begriff „gap“ bezeichnet einen Abstand. Auch für „Kluft“ steht dieses Wort. Der befürchtete Stausee wird eine Kluft zwischen Nord und Süd und Ost und West bedeuten und schon räumlich viele Kilometer Abstand zwischen die Menschen bringen. Und schon jetzt reißt er Gräben auf zwischen den Bevölkerungsgruppen, trennt, zerteilt.
Immer wieder tauchte dieser Begriff während meines dreiwöchentlichen Besuches (Juni/Juli 2007) im Stammesgebiet entlang der Godavari auf. The gap – räumlich, gedanklich, politisch: Trennung, Widersprüchliches, nicht vereinbare Positionen, völlig gegensätzliche Deutungen und Zeitvorstellungen. Hier ein paar Beispiele für solche „gaps“:
Koyda gibt auf
Koyda und die Nachbardörfer (mit den schönen Namen Pushugundhi, Tallagundhi, Tekupalli, Kakisnur, Mordella, Perentapalli) haben der Regierung die Auflösung und Umsiedelung zugesagt und unterschrieben. Vor allem ein Großgrundbesitzer im Ort, größter Arbeitgeber für die als Kulis arbeitenden Familien, hat Druck auf die Dorfbewohner ausgeübt. Er versucht, seine Zukunft zu sichern und will bei der Regierung möglichst hohe Entschädigungen herausholen. Örtliche Beamte spielen mit und erhöhen den Druck: „Wenn Ihr nicht geht, wird der Strom abgeschaltet, Ihr bekommt bei Überschwemmungen keine Hilfe mehr, und Arbeit habt ihr auch keine mehr!“
Versprochen wird: „Wenn Ihr Euch in die Gegend von Ashwaro Peta umsiedeln lasst, wird für Euch gesorgt. Das Land soll bereits vermessen sein und für die Hofstellen sind Parzellen ausgewiesen. Die neue Siedlung wird sehr groß werden, ihr habt alles, was ihr braucht! Schule, Wasser, Tempel... Ihr bekommt ein neues Haus und Land. Die Tribals im Tausch Land für Land, Haus für Haus. Die Nontribals bekommen Geld, statt der angekündigten 40.000 Rs. sogar 50.000 Rs. je Haus. Wenn ihr keinen Landbesitz habt, bekommt ihr statt für 1 Jahr nun für 2 Jahre den Kulilohn ausgezahlt, also 60 Rs. je Tag! Und beim Umzug wird Euch von der Regierung geholfen.“
Nicht verraten wird, dass die neuen Siedlungen riesig werden sollen, mit wahrscheinlich über 20.000 Menschen. Aus sieben Orten wird Einer, für Adivasis das Ende ihrer Wohnkultur. Nicht gesagt wird, dass man maximal 5 acre Land tauschen kann und auch nur dann, wenn man Besitzurkunden hat. Nicht gesagt wird, dass die Hofstellen viel zu klein sind für Vieh und Extrahütte. Nicht gesagt wird, dass Arbeit nicht garantiert werden kann und wo sich nun wenige Kulis um Arbeit bewerben, werden es dann sehr, sehr viele sein. Nicht gesagt wird, dass die meisten der Nebeneinkommen wie Feuerholz, Honig und Früchte des Waldes, Weideraum für Vieh usw. wegfallen werden. Nicht gesagt wird, dass das Land im Moment noch Wald- und Buschland ist und weder kultiviert noch erschlossen. Nicht gesagt wird, dass viele ihr Geld, wenn sie es brauchen, nicht mehr besitzen werden...
Rudramakota schafft an
Rudramakota hat bereits (wie auch Sinjaram) im Januar der Umsiedlung zugestimmt. Die dort lebenden Nontribels wollten die Chance ergreifen, das immer wieder durch Überschwemmungen der Godavari betroffene Gebiet zu verlassen. Die Familien haben Geld bekommen, viel Geld. Das Geld für ihr Land ist bereits ausgezahlt worden. Das Land wurde großteils mit Eukalyptus aufgeforstet. Das Geld für die Häuser wurde nicht ausgezahlt, sondern auf einem Konto gutgeschrieben, das erst bei Kauf oder Neubau in Anspruch genommen werden kann. Immerhin!
Einer der kirchlichen Mitarbeiter steht für viele: Er hat soviel Geld bekommen, dass er jedem seiner drei Söhne einen Teil geben konnte, viele zigtausende Rupien. Der eine hat sich einen Farbfernseher, der andere ein Motorrad gekauft. TV für Land! So war das nicht gemeint – und dennoch haben fast alle Familien einen großen Teil der Entschädigung bereits wieder ausgegeben. Wenn es zur Umsiedlung kommt, werden sie keine Möglichkeit haben, neues Land zu erwerben. Schon jetzt ist das beinahe unmöglich. Die Landpreise sind extrem gestiegen. Dort, wo frei verkäufliches Land zur Verfügung steht, werden nur die ohnehin Reichen zu den Gewinnern gehören. Ehemalige Landbesitzer unter den Nontribels werden sich als Kulis durchschlagen müssen.
Indiramma irritiert
Indiramma ist nun nicht ein Ort, sondern ein Programm, das wunderbar die „gaps“ der Informationen und politischen Botschaften markiert. Oder es ist einfach nur ein „Treppenwitz der Weltgeschichte“. Die Regierung von Andhra Pradesh hat durch ihr Ministerium für Wohnungsbau ein Hausprogramm für bedürftige Dalits und Adivasis aufgelegt (Indhiramma = Integrated Novel Development in Rural and Model Municipal Aereas). 4 Mill. Häuser sollen gebaut werden und 1,2 Mill. davon sollen bereits fertig sein. Die Familien bekommen 35.000 Rs. Zuschuss beim Hausbau. Der Chiefminister Rajasekhara Reddy, der auch den Polavaram-Damm vorantreibt, lobt dieses Wohnungsprogramm ausdrücklich und führt es auf seiner Internetseite als „seine“ Sache auf.
Gleichzeitig, wirklich gleichzeitig, wird denselben Familien vermittelt, dass sie ihre Häuser wegen des Stausees verlassen müssen. Ich habe zwei der Neubauten eingeweiht. Bei einem der Häuser waren am Vormittag Regierungsbeauftragte und haben es zusammen mit der Familie fotografiert, als Beleg für die Entschädigung – und am Nachmittag war ich da und habe das Band am Eingang zerschnitten, damit die Leute die Förderung des Staates genießen können. „Wir bauen Euch ein Haus!“ Und „Ihr müsst Euer Haus verlassen!“
Doppelbotschaften, widersprüchliche Aussagen und vor allem Gerüchte verwirren die Bevölkerung, zerstören die Einheit in Dörfern und Familien und schüren Angst und Resignation. Es ist zu vermuten, dass die Regierung genau dies beabsichtigt.
Viele verlieren die Hoffnung...
Waren bei meinem Besuch im Januar noch die meisten der Meinung, dass Widerstand gegen Polavaram angesagt ist, berichten jetzt mehr als zwei Drittel der betroffenen Pastoren, dass die Leute in ihren Dörfern klein beigeben und bereit sind, zu gehen. Das betrifft nicht nur die mit Nontribals bewohnten Dörfer, sondern auch jene, die von Tribals bewohnt werden. Immer wieder heißt es: „Es hat ja doch keinen Zweck...“ Und die Angst geht um, am Ende ohne Entschädigung dazustehen.
Im Moment führt die Regierung neue Untersuchungen über die Bevölkerung durch, offenbar, um die Entschädigungen nochmals zu fixieren. In zwei getrennten Befragungen ziehen Beauftragte von Dorf zu Dorf, befragen die Leute und fotografieren Familien. In mehreren Dörfern treffe ich auf diese „Polavaram survey“ und mehrfach verlassen Mitarbeiter unsere Treffen, damit sie ja zuhause sind, wenn der Besitz aufgenommen wird. Manche halten diese Befragungen bereits für die Unterschriftenaktion zur Abgabe des Besitzes. Unterschrieben wird jedoch nur, dass man befragt wurde. Viele rechnen damit, dass bald das Wasser kommt und sie schnell weg müssen. In der Zeitung war von einer neuen Technik die Rede, mit der man den Damm in einem halben Jahr errichten kann. Die Leute glauben solchen Unsinn und staunen über Indiens technischen Fortschritt. Wo immer er Gelegenheit hat, verkündet der Chief Minister, dass es bald weitergeht mit dem Bau. Viele örtliche Regierungsvertreter verbreiten Unsicherheit. Das Ergebnis: Immer größere Teile der vom Stausee betroffenen Bevölkerung geraten in Panik und Angst.
... und doch noch ist nichts verloren!
Anders die vor Ort arbeitenden NGOs (Nicht Regierungs Organisationen). In den Dörfern sind Komitees gebildet worden (ARS). Diverse Aktionen des Widerstandes haben nach Aussage der SNEHA bereits Früchte gezeigt. Im August wird es eine große Demo mit Hungerstreik in Hyderabad geben. Auch mir begegnen mehrmals mit Demonstranten besetzte LKWs, auf dem Weg zu einer Kundgebung. Auch die Maoisten und die kommunistische Partei unterstützen den Widerstand, allerdings mit sehr parteipolitischen Absichten. Der Widerstand geht bis hin zum Terror: So wurde ein Gebäude einer Mustersiedlung nahe Gullavai von Naxaliten gesprengt.
Die Tribals erkennen nach Aussage des SNEHA-Vertreters, immer mehr, dass sie ihre gesamte Kultur verlieren, wenn sie umgesiedelt werden. Deshalb kämpfen sie gegen den Staudamm. Und das mit Erfolg.
Die Gerichte haben den immerhin seit April 2006 bestehenden Baustopp nicht zurückgezogen. Sie fordern die Einverständniserklärung der Bevölkerung. Und dazu, so beurteilt das SNEHA Projektleiter Srinavas, wird es nicht kommen. Aus seiner Sicht ist der Kampf deshalb keinesfalls verloren, zumal auch noch wichtige Gutachten ausstehen. Die gegenwärtigen Befragungen scheinen damit im Zusammenhang zu stehen.
... was nun?
Die Kluft zwischen der Sicht der Betroffenen und der Ansicht der NGOs ist groß. Der Großteil der Bevölkerung sieht seine Sache mehr und mehr verloren, die NGOs betonen die Erfolge des Widerstandes und erkennen hoffnungsvolle Zeichen. Was stimmt? Hoffen wir, dass die Wahrheit nicht nur in der Mitte liegt. Ich neige dazu, der NGO-Einschätzung zu glauben. Der Bevölkerung mangelt es an Information. Man versucht, sie zu manipulieren und Panik zu schüren. Es geht um viel Land und noch mehr Geld! Bei den NGOs laufen die Infos zusammen, man weiß um die Zusammenhänge auf politischer Ebene, man kennt die Rechtslage. Genau besehen, gibt die Regierung selbst Hinweise auf zumindest eine lange Wartezeit. Die Eukalyptusplantagen (3 Ernten erwartet man, rechnet also mit 10-12 Jahren), das Indiramma-Programm – manches spricht dafür, dass die Regierung selbst in langen Zeiträumen rechnet. Sollte die Congress Partei nächstes Jahr abgewählt werden, wäre das sicher das Ende des Projektes. Damit jedoch rechnet kaum jemand. So muss man sich auf einen langen Weg gefasst machen, und dessen Ende ist noch keineswegs absehbar. Auch wenn trotz gerichtlichem Baustopp an den Kanälen weitergebaut wird (ich habe Bau-Aktivitäten am nördlichen Kanal gesehen), ist der Optimismus der SNEHA möglicherweise berechtigt. Allerdings: Es wird darum gehen, die Bevölkerung intensiver zu informieren. Sollte das nicht gelingen, wird die Resignation immer mehr um sich greifen und die Vertreibung somit enorm erleichtert.
The Gap. Der Abstand. Durch die erneute Begegnung von Kirchenvertretern und SNEHA kommt es hoffentlich zu einer engeren Zusammenarbeit unserer Partnerkirche mit den NGOs. So könnten die Informationen besser in die Gemeinden kommen. Was immer Abstände und Klüfte überwindet, verbessert die Lage der Betroffenen.
11.05.2007 Meeting im Bundestag, Infos zum Widerstand, neues Waldgesetz Indiens
Im Rahmen des Besuches von Präsidentin Ester Rani und Pastor Philip empfing der Grünen Abgeordnete Thilo Hoppe (3. von links) eine kleine Delegation des FMD im Bundestag. Herr Hoppe ist gleichzeitig auch Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Er hat zugesagt, entsprechende Anfragen wegen des Polavaram-Projektes zu stellen. Auch Regine Richter von Urgewald (3.von rechts) war bei diesem informellen Treffen zugegen und unterstützt die Recherche nach Geldgebern und beteiligten Firmen. Bisher wurden jedoch letztere noch nicht ausgemacht und so konnten keine konkreten und kritischen Fragen an Beteiligte gestellt werden.
Im Übrigen hat sich nichts wesentliches verändert: Der Ministerpräsident von A.P. beteuert ständig, dass der Bau bald weitergeht und man keinen Schritt zurück weicht. Der Protest in Indien geht weiter. Die Oppositionsparteien nutzen das Thema um sich zu profilieren. Die meisten bestehen auf einer Verringerung der Dammhöhe. Die meisten NGOs zusammen mit den Tribals dagegen kämpfen grundsätzlich gegen das Projekt. Da auch Maoisten und Naxaliten prinzipiell gegen das Projekt sind, werden Widerständler schnell kriminalisiert.
Auch die TRS (Telangana Rashtra Samiti), eine speziell in der betroffenden Gegend operierende Partei, hat sich klar auf die Seite der Widerständler gestellt und vor dem Verfassungsgericht gegen die Regierung geklagt. Die Partei besteht darauf, dass zur Zeit nur Büro- und Papier-Arbeit im Zusammenhang mit dem Projekt zugelassen ist und die Behörden gegen jede praktische Arbeit am Staudamm vorgeht, da diese z.Zt. gerichtlich gestoppt ist. Damit die Bevölkerung unterrichtet ist, plant die TRS in 450 Dörfern des Khammam Distriktes eine Aufklärungskampagne.
Das TDF (Telangana Development Forum), ein Zusammenschluss zum Schutz der Stammesgebiete, hat einen wissenschaftlichen Alternativplan zum Polavaram-Projekt vorgelegt und will ihn in Kürze der A.P. Regierung präsentieren. Dieser Plan sieht ein ähnliches Konzept vor, wie es am Mississippi umgesetzt wurde. Damit wird der Godavai ca. 200 km als natürliches Wasserreservoir genutzt. Es können so angeblich 3.000 MW Energie erzeugt werden ohne dass "ein einziges Dorf weichen muss".
Die Adivasi-Kommission hat einen interessanten Rundbrief zur Auswirkung des neuen Waldgesetztes in Indien herausgegeben. Dieses Gesetz betrifft auch viele Mitglieder der Kirche unmittelbar. Ob der Schutz der Adivasis dadurch allerdings besser durchgesetzt werden kann, ist fragwürdig. Erschütternd: Der Artikel belegt, dass die Vertreibung der Adivasis keineswegs beendet ist, sondern wie in den sechziger Jahren begonnen immer weiter geht. Das Polavaram-Projekt ist nur ein Beispiel von Vielen!
29.01.2007 Fünf durch Schüsse Verletzte bei Demo in Bhadrachalam
Bei einer von der CPI(M), der Kommunistischen Partei, organisierten Demonastration in Bhadrachalam ist die Polizei gemäß Vorwürfen der Veranstalter, überaus gewaltsam gegen friedliche Demonstranten vorgegangen. Es wurde scharf geschossen und 5 Demonstranten wurden zum Teil schwer verletzt. Die Polizei begründet das Vorgehen mit dem Schutz der Polizisten gegen Steinewerfer. In Dehli wurde eine Untersuchung beantragt. Der Vorfall hat viele grundsätzliche Einsprüche in der Zentralregierung Dehli zur Folge gehabt.
Die Pressemeldungen über den Eklat thematisierten Sinn und Unsinn des Polavaram-Projektes. Hier zwei Zitate , die die Stimmung und die Positionen gegen die Regierung A.P. wiedergibt, aber auch zeigen, wie entschlossen die Regierung das Projekt durchsetzten will:
1. (4 Feb, 2007 0218hrs ISTTIMES NEWS NETWORK) "Come what may, the state government would go ahead with the Polavaram project. Some political parties are unnecessarily making it an issue," the chief minister (von A.P., Mr.Y S Rajasekhara Reddy) said in series of meetings in West Godavari on Saturday. This, in turn, has CPI-M state secretary BV Raghavulu livid. "The chief minister's insistence on going ahead with the Polavaram project will have far reaching repercussions on the UPA coalition," Raghavulu told TOI.
The state CPI-M leader wondered how the government would go ahead with the project when many cases were pending in the state High Court, Orissa High Court as well as the Supreme Court. "It is not going to be easy. If the chief minister thinks he can override the courts, laws and the Constitution, it will be highly irresponsible behaviour on his part,"Raghavulu said. In fact, court cases and the CPM opposition apart, the Central Electricity Authority (CEA) too has raised serious objections to the state government plans over Polavaram.
2. Eine ähnliche Äußering des Chief Ministerst in Vijiavada (Qelle THE HINDU 11.2.07): Dr. Reddy said several political parties were creating problems in the way of Polavaram project but his Government was determined to complete it "with mercy of God and with your blessing. We will begin work on Polavaram project. We will not go back under any circumstances."
Zu Deutsch: Dr. Reddy sagte, dass einige politische Parteieln Probleme wegen des Polavaram-Projektes machen, seine Regierung sich jedoch darauf festgelegt hat, es zu beenden: "Durch Gottes Gnade und Eurem Segen werden wir die Arbeit am Projekt beginnen. Wir werden unter gar keinen Umständen davon zurücktreten!"
Januar 2007 Recherche vor Ort
Zusammen mit meinem Sohn Jürgen habe ich in 15 der von dem Staudamm betroffenen Dörfer Interviews mit Betroffenen gemacht und durch Anschauung einen noch besseren Eindruck von den Folgen des Polavaram-Projektes bekommen. Wir haben mit NROs (Nicht Regierungs-Organisationen) Kontakt aufgenommen und uns über deren Aktivitäten informiert. Und wir haben im Gespräch mit den kirchlichen Partnern über eine Strategie für die Zukunft nachgedacht. Der daraus entstandene Bericht ist für jene, die an Details interessiert sind, sicher interessant. Hier der Link zur Recherche.
05.11.06 Ein Satelitenfoto schreckt auf: 369 Dörfer betroffen?
Heute bekommen wir aus Indien die Nachricht, die bereits im Zusammenhang mit der "chinesischen Mauer" erwähnt wurde: Wenn man ein am 7.August gemachtes Satelitenfoto auswertet, werden nicht 276 sondern sogar 369 Dörfer vom Stausee überflutet. Beiliegender Artikel ermöglicht weitere Infos, ebenfalls das Satelitenfoto in der regionalen Zeitung "Enaadu" vom 25.10.06
04.11.06 Polavaram in den Medien
Auch in den indischen Medien formiert sich Widerstand gegen das Projekt. Die Medien in Indien, zumindest die überregionalen Zeitungen, sind kritisch und unabhängig. Es lohnt sich z.B., die beiden Artikel der unabhängigen Jornalistin, Frau R.Uma Maheswari, zu lesen. Erst jetzt habe ich sie im Internet wahrgenommen - sie spiegeln jedoch gut auch andere kritische Veröffentlichungen in indischen Medien.
Artikel (engl.) der freien Jornalistin R.Uma Maheswari (Hyderabad) 1. Eine schlimme Geschichte wiederholt sich 2. Weniger als eine halbe Stimme - Gender Aspekt nicht im Blick
Das Problem: Offensichtlich ist das Anliegen noch immer nicht von der indischen Öffentlichkeit aufgenommen worden und hat nicht dazu geführt, dass sich breite Bevölkerungsschichten mit den Betroffenen solidarisieren. M.E. verhindern mehrere grundlegende Einstellungen solchen Widerstand. Zum Einen glauben viele an den Fortschritt und dass dieser nur und vor allem durch derartige Großprojekte voran getrieben wird. Dabei müssen dann eben auch Opfer gebracht werden. Zum anderen werden die Adivasis nach wie vor als Menschen zweiter Klasse angesehen, da sie nicht Teil der Hindukasten Hierarchie sind. Und da im Wesentliches vorherbestimmt ist, was geschieht, kann man es ja sowieso nicht ändern. Und drittens verstehen es die Vertreter des Projektes sehr gut, dies zu vertreten, zumal sie offenbar selbst davon überzeugt sind. Sie argumentieren mit dem erforderlichen Wirtschaftswachstum um in einer globalisierten Welt zu bestehen und mit den nötigen Energie- und Nahrungserzeugung um von Drittländern unabhängig zu werden und die wachsende Bevölkerung versorgen zu können. Nicht gesagt wird dabei, dass Indien einen Überschuss an Reis produziert, 20-40 Prozent an Getreide aber wegen schlechter Lagerung verdirbt, die Großprojekte inzwischen alle weit mehr als das Doppelte oder gar Fünffache der Kalkulation gekostet haben, die ökologischen Auswirkungen überaus extrem sind (z.B. sterben nicht nur einzelne Fische, Tiere und Bäume - es sterben ganze Arten aus), die Vertriebenen bisher noch nie die versprochene Entschädigung erhalten haben und diese ohnehin nicht ein Bruchteil des Bedarfes ausmacht um neu anzufangen, in diesem Fall eine ganze Stammeskultur vernichtet wird, dass man mit ähnlichen Summen viele Alternativprogramme auflegen könnte und größeren Nutzen hätte, dass man Prestige und Ansehen will ect.
Auch in der internationalen Presse scheint das Thema leider noch wenig Raum zu bekommen. Nur in Deutschland hat sich bisher ein Aktionsbündnis gefunden. Dazu gehören die Adivasi-Koordination, die Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt (ASW), die Andheri-Hilfe Bonn e.V. und FIAN Deutschland. Auch die Gesellschaft für Bedrohte Völker engagiert sich. In Österreich gibt es einige Meldungen im Internet - ansonsten noch Schweigen der internationalen Stimmen, jedenfalls soweit ich das mittels Internetrecherche wahrnehmen kann.
28.10.06 "Chinesische Mauer" als Schutz für Dörfer ? Geld von der Weltbank!
Der Baustopp ist noch immer nicht aufgehoben. Es fehlen nach wie vor einige vom Gericht verlangte Untersuchungen. Ungeachtet dessen geht die Werbung für das Projekt weiter. Wo immer sich Gelegenheit bietet, werben Chiefminister und seine Parteifreunde für den Damm. Diskutiert wird dabei wiederum die Höhe, denn offenbar war Bhadrachalam durch eine erneute Jahrhundertflut bedroht, als es im August/Sep. zu den Überschwemmungen kam. Es wird behauptet, solche Flut (wie 1986) gebe es nur alle 500 Jahre (manche behaupten sogar, nur alle 10.000 Jahre!). Komisch, dass wir sowas schon zum zweiten Mal in 25 Jahren erlebt haben!
Seit gestern ist ein ganz neuer Vorschlag in der Diskussion, aufgebracht von Irrigation Minister P. Lakshmaiah: Man könnte eine beinahe 44 km lange Mauer baunen (für ca.61,4 Mill.€), etwa in dem Stil wie die Chinesische Mauer. Damit könnte man vor allem in der Gegend um Chintoor (am Sabari-Fluss) sehr viele Dörfer schützen. Auch dementiert der Minister Informationen wonach Satelitenaufnahmen während der Überschwemmung (7.August) beweisen, dass nicht 276 Dörfer, sondern sogar 359 Dörfer von dem Stausee betroffen wären. Allerdings weist eine andere Meldung aus, dass es bei denen von der Mauer (dort: Damm) zu schützenden Dörfer um jene 47 geht, die zwar von der Überschwemmung betroffen waren, jedoch vom Stausee nicht betroffen sein sollen. Also bleibt der Verdacht, dass mit 275 Dörfern doch erheblich zu wenig als betroffen angegeben wurden, sondern man nach der letzten Überschwemmung mindestens von 322 Dörfern ausgehen muss.
Die Weltbank hat seit langem eine Kreditzusage für Wasser- und Energieprojekte in Andhra Pradesh gegeben. Die Höhe der Kreditsumme beläuft sich auf Rs 3,200 crore, das sind ca. 640 Mill.€. Zwar wurden über zwanzig Projekte beantragt, ein großer Teil des Geldes wird jedoch in das Polavaram-Projekt fließen. Die Möglichkeiten, die Weltbank auf die Vertreibung der Adivasis aufmerksam zu machen wird in verschiedenen Gruppen bedacht. Falls auch Sie dazu Möglichkeiten haben, nutzen Sie bitte Ihre Kontakte.
27.10.06 Neunzig Dörfer der GSELC betroffen
Eine Studie der UELCI, von der wir an anderer Stelle noch berichten werden, nennt alle 343 Dörfer, in denen die GSELC arbeitet. Im Vergleich mit den Namen aus der offiziellen Liste der durch das Polavaram-Projekt betroffenen Dörfer ergibt sich, dass in 90 (von 276) der durch den Stausee bedrohten Dörfer christliche Familien wohnen und die Kirche Gemeinden oder Familienzentren hat. Ungefähr 3.500 Erwachsene Gemeindeglieder wären betroffen (plus Kinder). Damit sind von den 86 Gemeinden insgesamt 30 Gemeinden vom Polavaram Projekt betroffen. Kein Wunder, dass die Gemeindeglieder was die Zukunft angeht, überaus irritiert sind. Zwar ist die Zahl nicht ganz so hoch wie befürchtet, dennoch ist dieses Problem eines der dringensten und die Partner suchen nach Perspektiven für ihr Handeln. Auch Kinderheime der GSELC sind betroffen: Koyda (Tekupalli), Yedavalli sicher, weil sie direkt am Fluss liegen; Arukuru weil die Besitzer der Häuser diese wieder beanspruchen; und evtl. G.K.Padu und Chakkaripalli - was allerdings noch unklar ist.
28.08.06 Polavaram und die Überschwemmung
In einem Artikel im Internet bechreibt die freie Jornalistin R. UMA MAHESHWARI die Situation eines Dorfes in der Region. In dem englischen Artikel werden die Situation bei der Überschwemmung und das Polavaram-Projekt miteinander verbunden. Da der Artikel sehr plastisch die Situation vieler Stammesdörfer beschreibt, illustriert er auch die Lage jener Dörfer, in denen die GSELC arbeitet.
24.08.06 Flutkatastrophe löst neue Diskussionen aus
Die Überschwemmung des Godavari (siehe dort) löst neue Diskussionen bezüglich des Polavaram-Staudammes aus. So berichtet der Deccan Cronical Hyderabad davon, dass der Damm einer derartigen Wassermenge nicht gewachsen wäre. Auch würde die geplante Dammhöhe von 150 Fuß bedeuten, dass die Tempelstadt Bhadrachalam bei vollem Stausee überschwemmt würde. Außerdem wird die Haltbarkeit des Staudammes in Frage gestellt.
Befürworter des Projektes sehen dieses als Dauerlösung für die durch derartige Überschwemmungen immer wieder leidenden Menschen. Einmal umgesiedelt müssten nicht ständig Existenzen neu aufgebaut und dazu Millionenbeträge aufgewandt werden - vom menschlichen Leid einmal abgesehen. Die Gegner führen dagegen an, dass wieder vor allem die Tribals die Leidtragenden sind und man den Versprechen der Regierung auf gute Entschädigung nicht trauen kann. Außerdem gibt es noch immer keine Konzepte für Siedlungen, die auch den Lebensgewohnheiten der Stammesleute entgegen kommen.
Insgesamt scheint sich in Indien, aber auch hier im Moment nicht mehr das "Alles oder Nichts" beider Seiten durchzusetzen, sondern es wird über eine Verkleinerung des Projektes nachgedacht und ob und wie es durchgeführt werden kann und dabei eben weniger Schaden anrichtet.
28.07.06 Widerstand auf vielen Ebenen
Noch immer ist der Weiterbau des Projektes gestoppt. Zwar bemüht sich die Regierung von A.P. intensiv um die gerichtliche Freigabe, scheitert dabei jedoch immer wieder. Auch die Finanzierung scheint sehr fragwürdig und deshalb werden die Betreiber enorm unter Druck gesetzt. Man spricht von "Prestigeprojekt" und dass nur weitergebaut werden soll, weil Leute sich ein Denkmal setzen wollen. Hinzu kommt, dass viele Wahlen anstehen und die Congress-Partei wegen des Projektes viel Zuspruch eingebüßt hat. In den Kommunalwahlen der Region hat sie bereits massiv verloren.
Ein kleines aber informatives Beispiel in Sachen Widerstand (englisch) finden Sie über diesen Link. Durch die Informationen von H.Brünjes sind in Deutschland sieben Organisationen in den Widerstand eingestiegen und diese fördern wiederum ihre indischen Partner, die zum Teil auch in der Region am Godavari arbeiten. Eine dieser Organisationen ist die SAKTI, Hyderabad, die sich für die Stammesleute und den Erhalt der Natur einsetzt.
18.07.06 Voten der indischen Partner bei Konsultation in Chennai
E.Krause: Ausführlich wurde die Situation besprochen, die durch das Polavaram- Projekt entstehen wird. Die GSELC hat als Kirche bisher nicht reagiert, wohl aber haben viele Mitglieder der Kirche durch ihre politischen Parteien protestiert. Die Kirche, so berichtet Präsident Amos, befürchtet, dass sie in der augenblicklichen Situation Nachteile bekommen könnte, wenn sie offiziell Protest gegen das Projekt einlegen würde. Von dem Projekt sind 5 Mandel (Landkreise) betroffen und etwa 200.000 Familien aus 278 Dörfern. 70 % des Kirchengebietes fällt darunter.
Es gibt kein Vertrauen in die Versprechen der Regierung. Viele Stammesleute haben keine, oder nur unzureichende Besitzurkunden. Außerdem ist gänzlich unklar, wohin eine Umsiedlung stattfinden kann. Es werden Konflikte mit den Einwohnern der Gebiete befürchtet, in die die Vertriebenen umgesiedelt werden sollen. Zwar verspricht der Staat, dass er für „Anbetungsplätze“ sorgen will, lässt aber offen, für welche religiösen Gruppierungen. Die Befürchtung ist, dass die jeweiligen Mehrheiten berücksichtig werden und Tempel und Moscheen gebaut werden, aber keine Kirchen.
Viele werden keine Landwirtschaft mehr betreiben können. In der Diskussion wird deutlich, dass die Kirche Handwerkerausbildung betreiben muss.
01.05.06 Baustopp und erhöhter Widerstand
Das indische Verfassungsgericht hat einen Baustopp für das Polavaram-Projekt verfügt und das Parlament des Bundeslandes A.P. musste daraufhin alle Arbeiten einstellen. Geklagt hatte das Forest Departement (Forstbehörden), da zuviel Wald vernichtet und damit ein zu massiver Eingriff in die Natur vollzogen wird. Auch Tribal-Gruppen hatten geklagt und so ist die Regierung aufgefordert, die Fragen bezüglich des Schutzes des Waldes und der Tribals noch einmal neu zu beantworten.
Die Regierung von A.P.setzt dafür 3 Monate an und hofft, bis dahin den Baustopp aufzuheben.
Zeitgleich mobilisiern die kommunistischen Parteien zusammen mit Tribalorganisationen einen flächendeckenden Widerstand. Zur Zeit laufen viele Veranstaltungen in 160 Dörfern.
23.4.06 Immer mehr Gruppen engangieren sich gegen das Projekt.
Inzwischen wächst der Protest gegen das Projekt und für die Erhaltung der Lebensräume für Adivasis in Deutschland. So haben einige Gruppen einen Flyer herausgegeben, der zum Widerstand gegen das Projekt einlädt. Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat am Sonntag, 23.April in Hannover demonstriert und Politiker und die Medien informiert und um Unterstützung gebeten. Der indische Priemer Minister Manmohan Singh hat zusammen mit der Bundeskanzlerin Dr.Merkel die Industriemesse in Hannover eröffnet. So gab es einen Anlass, auf die Kehrseite des Wirtschaftsbooms in Indien hinzuweisen.
Inzwischen arbeiten wir mit verschiedenen Organisationen, die sich für Menschenrechte einsetzen zusammen. In Kürze wird ein Flyer über das Projekt erscheinen und zum Widerstand einladen.
12.04.06 Infos über die Bautätigkeiten
Detlef Stüber, Mitarbeiter der ASW (Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt) war im März in Indien und konnte das Gebiet des Projektes sehen. Er schickt einige Fotos, die zeigen, dass die Arbeit begonnen hat.
12.04.06 Polavaram Umsiedlung
(Auszüge aus dem Reisebericht von Hermann Brünjes)
Im Folgenden gebe ich einige Passagen meines Reisetagebuches bezüglich des Polavaram-Projektes wieder. Unserer Wahrnehmung gemäß ist die Krise in der Leiterschaft der GSELC die bisher größte Herausforderung unserer jungen Partnerkirche (und damit auch für uns als FMD). Das Polavaram-Projekt wird meiner Meinung nach gleichermaßen verändernde Konsequenzen haben und zu enormen, wenn auch ganz anderen Belastungen führen.
Samstag, 25.März 2006
Heute findet in Bhadrachalam und anderen orten eine Großdemo statt. Auch viele der Pastoren nehmen daran teil. Die Kirche hat auch 40.000 Rs. beigesteuert, damit solche Aktionen laufen können, ist jedoch nicht als Organisation sondern mit Personen beteiligt. Angeblich nehmen die Proteste von Tag zu Tag zu. Philip erzählt, dass die Umsiedlung ortnah geschehen soll und man große Siedlungen plant. Das wird von allen abgelehnt – und wirklich Platz ist nicht. Auch den Versprechen der Regierung glaubt man immer weniger. Besuchen können wir den Ort des geplanten Dammes nicht, da das Gebiet für Besucher von außerhalb abgesperrt ist. Philip will herausfinden, woher Geld für das Projekt kommen soll. Er hat von der holländischen Regierung gehört, die ohnehin Wasserprojekte in der Gegen finanziert hat. Ausländische Firmen allerdings sollen nicht beteiligt sein, da Indien inzwischen alles selber machen kann und auch will. Vor allem der Premier Minister treibt das Projekt voran. Nach Philips Kenntnis ist Paul Raj nicht direkt beteiligt, sondern nur Abgeordnete aus der Region.
Besichtigung einer der für die Umsiedlung vorgesehenen Landflächen. Wir erreichen die Schnellstraße von Ashwaropeta nach Khammam (92 km) und fahren ein kleines Stücken nach Westen, wo wir einen einzelnen Hügel im Süden der Straße sehen. Hier, etwa 3 km beidseitig entlang der Straße, sollen 9.000 Familien (ca.40.000 Personen) aus dem Elerupadu-Mandal angesiedelt werden. Jede Familie soll ein Haus bekommen (im Wert von 25.000 Rs., also eines der schlichten Katastrophenkästen), und ein Grundstück von ca.30x30m. Die Regierung hat, wie unser selbst davon betroffener Fahrer erzählt, den Nicht-Tribals Geld angeboten. Bei ihm waren es 40.000 Rs. bei sofortiger Umsiedlung. Dazu ein neues Haus. Wenn er jetzt nicht geht, bekommt er nur das ihm gesetzlich zustehende Haus und kein Geld. Die Non-tribals bekommen für Haus und Grundstück Ersatz und für ihr Land das ortsübliche Geld. Wenn sie auf Government-Land siedeln, ist das sehr wenig. Landlose Non-Tribals bekommen den Lohn für 265 Arbeitstage, d.h. 40.000 Rs.
Die Tribals bekommen Haus und Grundstück und dazu Land gegen Land. So wird ihnen ihre Lebensgrundlage wieder gegeben. Das Land wird außerdem geschützt und verbleibt wie das für den Stausee abgenommene Land Eigentum der Regierung. Soweit die Versprechen der Regierung von A.P.
Im Moment wird bei diesem riesigen Areal die nördlich der Straße gelegene Seite landwirtschaftlich genutzt und im Süden der Straße wachsen Büsche, Bäume und Steine. Dieses Land hat die Regierung der Forstbehörde entnommen und ihr dafür offenbar irgendwo Ersatz für die Aufforstung gegeben.
Unser Fahrer und die Pastoren bestätigen einmütig, dass die Tribals solche Lebensform und auch die Umsiedlung ablehnen. Aber es wird ihnen keine andere Alternative geboten. Unser Fahrer kämpft nicht gegen die Vertreibung (obwohl er wirklich gegen das Projekt ist und vor allem die Tribals und Dalits als Opfer sieht!), weil er Angst hat, am Ende nichts zu bekommen. Ich halte das Vorgehen der Regierung für einen gravierenden Eingriff in die Lebensweise dieser Leute. Selbst wenn die Regierung zu ihren Versprechen steht, was ich nicht glaube, passen die Tribals nicht in diese Umgebung. Eine Schnellstraße mittendrin! D.h. auch Shops, Raststätten, Müll, Durchgangsverkehr, nächtliches Hupen und Motorengeräusch und ich weiß nicht, was sich alles auf den nächtlichen Straßen Indiens noch zuträgt.
Wo das Land der hier angesiedelten Adivasis für die landwirtschaftliche Nutzung liegt? Genau wusste der Fahrer das auch nicht. Offenbar liegt das geplante Land noch weitab und die Leute können es nicht direkt von ihren Höfen aus bewirtschaften, oder nur unter großem Aufwand. Hier jedenfalls sind nur die Siedlungen geplant, zu beiden Seiten der schnell und stark befahrenen Schnellstraße!!! Wir schlafen in dieser Nacht ganz in der Nähe dieser Straße und hören die schweren LKW ohne Pause wenn sie vorbeifahren.
Ähnliches Land hat die Regierung von A.P. (also der nette Herr Chief Minister, mit dem ich im Flugzeug unterwegs war) auch für die anderen Mandals gekauft. So soll in der Gegend von Sandrakunta Land für Borgampadu-Kokonoor gekauft worden sein, bei Cherla (an der Staße Bhadrachalam/Cherla) für Nellipaka-G.J.Padu-Kunavaram-Chritti also auch die Sabaridörfer und in der gegend von Vinayakapuram für die östlich von Yelerupadu betroffenen Regionen, also auch Koyda, Yedavalli usw.